Skies of Arcadia, Kapitel 3: In der Höhle des Löwen

Was passiert? Vyse, Aika und Drachma reisen heimlich nach Valua, befreien die Piraten und Fina und entkommen um Haaresbreite aus einer Festung, aus der noch nie jemand entkommen ist. Galcian ist nicht erfreut. Die Pläne von Valua und die tatsächliche Hauptquestline werden enthüllt.

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„I’m ready for anything, Marco. In the midst of the storm, I can see the one path that will get us out of Valua. I’ve got to try.” – Vyse

„Impossible is just a word to let people feel good about themselves when they quit.“ – Vyse

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Die Reise nach Valua stellt den Höhepunkt des Spannungsbogens des ersten Aktes von Skies of Arcadia dar. Der grundlegende Konflikt, dass Vyse seine Familie und Freunde aus den Fängen des valuanischen Reichs retten will, ist mit sämtlichen handelnden Personen eingeführt und wartet jetzt darauf, erzählerisch aufgelöst zu werden (d.h. in einem wahren Feuerwerk an Spannung und Action zu explodieren). Gleichzeitig haben wir hier auch so etwas wie das endgültige Ende der Einleitung, nach dem die Party mehr oder weniger komplett ist und wir erfahren haben, was eigentlich die Hauptquest des Spiels sein wird. Hierfür werden eventuell noch neue Charaktere, wichtige Gegenstände und sonstige Handlungselemente eingeführt. Wie Skies of Arcadia all das erreicht – neue Charaktere, weitere Ausarbeitung der bekannten Figuren, neue Handlungselemente und magische Gegenstände, und parallel zu all diesem Nebenbei-Kram noch eine grandiose Auflösung des ersten großen Konflikts – ist schlicht und einfach meisterhaft gelungen. Vyses Befreiungsaktion ist einer der ganz großen, triumphalen Höhepunkte eines an erzählerisch brillanten Momenten nicht gerade armen Spiels. Schnallt euch an, der Artikel wird lang.

Die Grand Fortress, oder: Der Eingang nach Valua
Wir haben also unseren Valua-Pass. Wir fliegen zur valuanischen Grenze, zeigen den Pass einem Grenzpatrouillenschiff vor und dürfen nach Valua hinein, richtig? Das war doch der Plan? Im Prinzip richtig, aber Skies of Arcadia liefert uns hier eine böse Überraschung – genau so plötzlich wie das grelle Licht, das der Heldengruppe ins Gesicht leuchtet und sie erst einmal blendet. Die stärkste Festung der neuen Welt, ein technologisches Meisterwerk, ein Wunder der Ingenieurskunst, die Helden sind wie geblendet von seiner Macht.
Das ist die Enthüllung der Grand Fortress, Valuas Grenzbastion. Der einzige Eingang hinein und hinaus, kontrolliert durch Valua selbst, einerseits undurchdringlich schwer gepanzert, andererseits schwer genug bewaffnet, um eine ganze feindliche Flotte allein auszulöschen. Der Valua-Nasr-Krieg scheint ergebnislos verlaufen zu sein, zumindest hat Valua Nasr anscheinend nicht erobert, aber dass Valua nicht erobert werden kann, ist sofort erkennbar.
Das ist die Hürde, die die Helden überwinden müssen. Hinein kommen sie, aber einen Weg hinaus gibt es nicht. Niemand ist bislang entkommen, und doch ist das die Hürde, die Vyse nehmen, das Problem, das er lösen, und der Feind, den er bezwingen muss.

Vyse lässt sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. Er liebt Herausforderungen, sagt er. Die Grand Fortress, das größte technologische Wunder der bekannten Welt, das die Gruppe beim ersten Blick auf sie wortwörtlich blendet mit ihrer Wucht und Macht, ist nicht mehr als das – eine Herausforderung, die man selbstverständlich überwinden kann.
Große Worte. Dann mal hinein in die Höhle des Löwen.

Valua, in ewiger Nacht
Valua liegt unter den ewigen Gewittersturmwolken, die der gelbe Mond hervorruft. Dass die Monde ihre Region beeinflussen, ist an sich eine ganz coole Idee – der rote Mond verbrennt zum Beispiel sein Land zu einer Wüste, und die rote Magie ist feuerbasiert, während die gelbe Magie blitzbasiert ist – aber eigentlich geht es ja nur darum, das Heimatland der Bösen in ewige Dunkelheit zu tauchen. Schönen Gruß an Tolkien und Mordor, bekannt seit 1954, funktioniert aber auch prächtig. Es hat schließlich einen Grund, dass der böse Drache immer in einer finsteren Höhle haust – Dunkelheit ist bedrohlich. Licht ist gut, und hier gibt es kein Licht, das nicht künstlich erzeugt wird von einem Reich, das sich die Welt untertan machen will. Rücksichtsloser Ehrgeiz ohne Mitgefühl – das ist Valua.
Schon der grundlegende Aufbau der Stadt zeigt uns das glasklar. Es gibt die Stadt der Oberklasse („Upper City“), hell erleuchtet, mit Gold verkleidet. Und es gibt die Unterstadt („Lower City“) für den Rest. Verdreckt, heruntergekommen, düster, kaum Licht. Der Kaiserpalast schwebt in der Mitte über dem Wolkenmeer, um das die Stadt herum gebaut wurde, und hat ganz Valua immer im Blick – und schert sich in keinster Weise um das Leben der ärmeren Untertanen in Lower City, während das Reich weiter Kriegsschiffe produziert und seine Weltherrschaftspläne verfolgt. Der rücksichtslose Ehrgeiz zum Nutzen einiger Weniger auf Kosten der Übrigen, die nicht dazu gehören, ist schon in der grundlegenden Architektur der Stadt erkennbar, ein Metall und Stein gewordenes Manifest des valuanischen Charakters. Besser kann man das Reich nicht zusammenfassen.
Die Helden landen in Lower City – sie fallen dort nicht auf, Drachma kann seine Harpunenkanone kaufen, und wahrscheinlich hätten sie ohnehin nicht in Upper City landen dürfen. Die Einwohner sind verhungert, verzweifelt und genauso heruntergekommen und von den Reichen vergessen wie ihre Heimatstadt selbst. Sie schuften in ewiger Dunkelheit für Valua und sein wachsendes Militär, ohne Aussicht, jemals ein besseres Leben zu erreichen, und ihre einzige Zerstreuung sind öffentliche Hinrichtungen. Wahrlich ein Leben in ewiger Nacht unter der Herrschaft der Bösen. In Mordor könnte es kaum schlimmer sein.
Skies of Arcadia erzählt und zeigt uns das aber nicht nur mit namenlosen Dorfbewohnern, sondern gibt uns einen NPC in einer etwas größeren Rolle, der uns im Detail einen Einblick in das Leben unter der valuanischen Herrschaft zeigt.

Marco
Ein Junge aus Lower City scheint etwa auf halber Strecke durch das Dorf nur auf uns zu warten. Die Läden befinden sich im oberen Teil von Lower City, die haben wir also wahrscheinlich schon besucht, aber wir haben uns mit Drachma am Gasthaus verabredet, das sich im unteren Teil von Lower City befindet, und Marco befindet sich mitten auf dem Weg und spricht uns von sich aus an. Wir können ihn gar nicht verfehlen. So stellt das Spiel sicher, dass wir Marco auf jeden Fall über den Weg laufen, und das mit gutem Grund – Marco ist auf mehreren Ebenen ein sehr wichtiges Element der Zeit in Valua.
Sein erster Auftritt ist fundamental unfreundlich und eskaliert in Rekordzeit zu beidseitigen abfälligen Bemerkungen, Angebereien und wüsten Beschimpfungen. Das verstärkt unmittelbar den abweisenden Eindruck von Lower City, den das Setting und die hoffnungslosen NPCs schon erzeugt haben – es gibt auch Leute, die ihre Hoffnungslosigkeit an anderen auslassen. Von wildfremden Leuten auf der Straße beleidigt zu werden, ist unangenehm, und es ist auffällig, wie selbst ein Junge wie Marco es anscheinend schon nötig hat, drohend und abweisend aufzutreten. Muss er potenzielle Konkurrenten einschüchtern? Gut möglich – es würde ins Setting passen, auch wenn Skies of Arcadia uns nichts in der Richtung zeigt.

Zu einem echten Nebencharakter wird Marco mit seinem zweiten Auftritt. Vorher könnte man ihn als etwas aktivere Hintergrundstaffage abtun, aber er zeigt überraschendes Interesse an der Heldengruppe, indem er sie belauscht, wenn der Spieler entscheiden darf, dass die Gruppe sich während der Hinrichtung ins Kolosseum schleichen wird (üblicher Trick, eine wichtige Entscheidung in die Hand des Spielers zu legen, damit der Spieler sich mehr im spiel drin fühlt – kennen wir ja schon), und anschließend lernen wir ihn bereits etwas besser kennen.
Sein besonderes Interesse an der Heldengruppe wird nicht ausdrücklich erklärt, ich finde es aber durchaus glaubwürdig. Sie sind eindeutig nicht von hier – allein welch bunte Kleidung Vyse und Aika tragen! – sie haben sich mit ihm gestritten, stellen also potenzielle Konkurrenten dar, und sie bleiben mindestens über Nacht. (Wir sehen auch, dass Marco sie sofort als Seeleute erkennt, und sehen später, dass er selbst gern Seemann werden würde – ein weiterer Grund, warum er sich für sie interessiert.) Dass Marco neugierig wird, finde ich verständlich, aber das ist letzten Endes auch nicht so wichtig, verglichen mit der Gesamtlänge von Skies of Arcadia. Es ist kein Plothole, dass die Glaubwürdigkeit der Geschichte grundlegend in Zweifel ziehen würde, das reicht.

Eigentlich geht es aber ohnehin nur darum, das Gespräch mit der Heldengruppe am Eingang zu den Ruinen der Alten Welt, die als Kanalisation dienen, vorzubereiten. Das ist der Punkt, an dem Marco in diesem Arc eine bedeutende Rolle übernimmt. Zum einen geht es natürlich um die plotrelevante Frage, wie unsere Helden ins Kolosseum kommen sollen, um ihre Familie und Freunde vor der Hinrichtung zu retten – da kommen Geheimgänge durch die Kanalisation, die Marco kennt und den Helden zeigen kann, natürlich gerade recht. Skies of Arcadia kombiniert das zum Anderen wieder einmal sehr elegant mit ein bisschen subtiler Charakterarbeit, um Vyse noch einmal hervorzuheben: Marco dient als Kontrast zu Vyse, fast wie die Armada zu Beginn des Spiels (wobei Vyse und die Piraten da eher den Kontrast zur Armada darstellen).
Er ist etwas jünger als Vyse, aber nicht viel. Im Grunde ist der erste Junge in einem ähnlichen Alter, mit dem wir Vyse vergleichen können, und er zeigt sich als zutiefst zynisch und desillusioniert. Die Ruhe, mit der er Drachmas Drohung, ihn zu töten, ins Gesicht blickt, ist nicht Mut oder so etwas, sondern Enttäuschung, Verzweiflung, das Gefühl ohnehin nichts mehr zu verlieren zu haben. Er lacht Vyses Plänen, die Piraten aus dem Kolosseum zu retten, ins Gesicht, droht, sie an die Wachen zu verpfeifen – wie bei der ersten Begegnung tritt er sehr aggressiv auf, und will damit doch nur diese Unsicherheit überspielen. Marco hat sich aufgegeben – und wer könnte ihm das in den Umständen seines Lebens übel nehmen?
Vyse hingegen ist und bleibt ruhig, zuversichtlich und entschlossen. Er weigert sich aufzugeben – er weiß, dass die Situation sehr schwierig ist, aber er muss da durch. Er vergleicht die ganze Lage mit einem Sturm auf See, dem man auch ausgeliefert ist und wo man auch nicht einfach aufgeben kann. Er muss das tun. Aufgeben, oder scheitern, sind keine Optionen. Also wird er morgen ins Kolosseum einbrechen, und Marco wird mitkommen. Vyse gibt sich nicht auf, und er wird Marco zeigen, wie das ist.
Marco wird damit für einen Nebencharakter enorm stark charakterisiert, aber gleichzeitig – und das ist wichtig – bekommt Vyse noch einmal deutlich mehr Raum, um sich auszudrücken und uns zu präsentieren. Diese Entschlossenheit und Zuversicht, Dinge zu tun, die getan werden müssen, kannten wir so explizit noch nicht an Vyse. Sie machen im Rückblick noch deutlicher, wie Vyse so selbstverständlich darauf kommt, nach Valua zu gehen, um seine Familie und Freunde vor der Hinrichtung zu retten – und sie werfen die Frage auf: wo wird das noch hinführen? Wir werden es sehen.
Zunächst warten der nächste Dungeon und gleich zwei Bosskämpfe auf uns.

Die Arena
Die Kanalisation ist recht unspektakulär als Dungeon, von einer kleinen Stelle zwischendrin mal abgesehen, in der die Gruppe über weggebrochenen Boden spazieren muss und unter ihr im endlosen schwarzen Wolkenmeer Blitze zucken. Es geht in den Sturm hinein. Nettes, kleines Detail für die Atmosphäre, gekonnt und effektvoll eingestreut zwischen einigen Zufallskämpfen.
Die Kanäle enden auf einem Bosskampf, dann geht es in die Arena, und dieser Abschnitt ist überraschend funktional inszeniert. Fast so als wäre es eine Routineangelegenheit, eine Selbstverständlichkeit, dass Vyse sich in Valua einschleicht und eine öffentliche Massenhinrichtung stoppt.

Die Helden tauchen im Kolosseum auf, überwältigen die Arenawachen mit links, befreien nebenbei die Gefangenen und decken ihren Rückzug durch ein Loch im Boden der Arena, das in der Kanalisation endet (und wo, gemessen an den Knochen, die Opfer nach ihrer Hinrichtung hinunter geschmissen werden). Es gibt fast keinen Widerstand – abgesehen vom Henker und zwei Helfern, der unmittelbar nächste folgende Bosskampf. Dieser stellt eine tödliche Gefahr dar und ist mit seinen Spezialattacken durchaus in der Lage, den Helden auf einen Schlag über 80% ihrer HP abzuziehen. Insbesondere weil der Kampf unmittelbar auf einen anderen Bosskampf folgt – ein Muster, dass Skies of Arcadia selten nutzt – aber auch weil die Party nach wie vor nicht komplett und kaum geskillt ist, handelt es sich hierbei vielleicht um den schwersten Bosskampf im Spiel. Ihn zu überwinden, stellt eine echte Heldentat für die Gruppe dar, nach der man sich angemessen erfolgreich fühlen darf.

Der Moment, in dem der Bosskampf geschafft ist, fühlt sich für den Spieler ähnlich an wie der nachfolgende Jubel der Zuschauer für Vyse, der sich nach einer großartigen Show mit einer formvollendeten Verbeugung verabschiedet und sich aufmacht, Valua zu verlassen.
Wird das so einfach? Natürlich nicht. Hier hat jemand noch ein gewichtiges Wort mitzureden.

Währenddessen…
Valua wurde vor dieser Episode für den Spieler durch die Armada repräsentiert. Natürlich, man wusste, dass es da irgendwo dieses Reich „Valua“ gibt, aber bislang hatten wir keine Vorstellung, was das eigentlich umfasst. Diese Episode liefert hier prächtig mit Lower City, Marco, dem Kolosseum, einigen Cutscenes und später auch Upper City – aber was macht eigentlich die Armada in der ganzen Zeit? Bei der Hinrichtung der Piraten, immerhin ursprünglich Gefangene der Armada, ist sie nicht vorhanden. Nicht mal einen noch so unbedeutenden Vertreter gibt es. Gut, natürlich liegt diese Hinrichtung bei der valuanischen „Justiz“, aber es ist bemerkenswert, was für eine Nicht-Rolle die Armada in diesem ganzen Handlungsstrang bisher spielt. Warum?
Ganz einfach: es interessiert sie nicht. Die Armada hat andere Dinge im Auge. Galcian, der Oberanführer der Armada, hat erst einmal andere Dinge, um die er sich kümmern muss, als eine Routinehinrichtung von schäbigen Piraten. Während Vyse in der Arena eine bewundernswerte Leistung als DER HELD liefert, schiebt Skies of Arcadia zwei Cutscenes ein, die uns zeigen, was Galcian in der Zwischenzeit so treibt.

Galcian und die Admiräle
Für die erste dieser Cutscenes greift Skies of Arcadia, etwas untypisch, auf den allwissenden Erzähler zurück. Bislang gab es in den meisten Cutscenes einen Charakter, aus deren Sicht das ganze mehr oder weniger erzählt wurde, eine Beteiligung eines Partymitglieds und somit eines Hauptcharakters, oder beides. Finas Ankunft auf Pirate Isle ist so ein Beispiel, in dem Fina die klare Bezugsperson ist. Beim Angriff der Armada auf die Insel ist es Dyne. Es ist nicht die erste Cutscene, in der Skies of Arcadia das tut, aber das Spiel nutzt diese Erzähltechnik nur selten – hauptsächlich, wenn es darum geht, dem Spieler etwas zu zeigen, was er wissen sollte, wo aber aktuell keine Charaktere in der Nähe sind, aus deren Sicht das erzählt werden könnte.
Das ist genau das, was beim Treffen von Galcian mit seinen Admirälen passiert. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum wir als Spieler das zwangsläufig sehen müssten, immerhin ist kein Charakter in der Nähe, der irgendwie zur Party gehört. Skies of Arcadia zeigt uns das trotzdem und zeigt uns damit zunächst einmal, was Galcian und die Armada eigentlich in der Zwischenzeit machen – eine Frage, die ansonsten unbeantwortet geblieben wäre. Zum anderen nutzt das Spiel diesen Moment, um die gesamte Führung der Armada vorzustellen (bevor die Armada den kaiserlichen Befehl erhalten wird, auszurücken und den Helden für den Rest des Spiels mächtig auf die Nerven zu gehen). Bislang kennen wir nur Alfonso, der sich erwartungsgemäß voll ins Rampenlicht stellt und den Ruhm für sich will, und Galcian so richtig – was ist mit dem Rest?

– Der 2. Admiral Gregorio ist mit Abstand der Älteste der Runde. Er trägt selbst zu einer Versammlung der hochrangigen Admiräle eine rostbraune Kampfrüstung und reagiert zunächst sehr überrascht, als er hört, dass Valua eine Silviterin gefangen genommen hat, äußert sich anschließend aber bemerkenswert reserviert. „Ich bin sicher, die Kaiserin ist sehr erfreut“ und „Wenn sie kooperiert, wird sie uns sehr nützlich sein“ sind angesichts der Tatsache, dass die Armada damit gerade ein bedeutendes Zwischenziel erreicht hat, sehr zurückhaltende Äußerungen. Vielleicht hat er auch ein paar verborgene Vorbehalte zu den sehr ehrgeizigen Plänen des Reichs? Oder vielleicht hat er nicht erwartet, dass sie Erfolg damit haben würden, eine Silviterin zu finden, und will die Situation erst neu erfassen? Ein erfahrener und vorsichtiger Mann, wie es scheint.
– Vigoro, der 3. Admiral, ist ein Riese von einem Mann, breitschultrig und muskulös. Er ist mit Sicherheit der Stärkste am Tisch, nicht die schlechteste Voraussetzung für einen Soldaten. Allein von seinem Körperbau her niemand, dem man sich im Kampf entgegen stellen will. Er erfüllt allerdings perfekt das Klischee vom testosteron-übersteuerten Macho, indem er sofort die wildesten Vermutungen über Fina zusammenfantasiert – der Hellste scheint er nicht zu sein, sagt uns das Klischee.
– Belleza, die 4. Admiralin, ist die einzige Frau am Tisch, hält allerdings den Frauenheld ihr direkt gegenüber problemlos in Schach und zeigt, dass sie einige Dinge über Fina herausgefunden hat, bevor Galcian sie offiziell darüber informiert hat. Das Hirn zu Vigoros Muskeln? Zumindest ist sie sehr gut in ihrem Job als Hauptverantwortliche für die valuanischen Geheimdienste und Spionageabteilungen. Wichtig ist auch, dass niemand der anderen Personen im Raum an ihr zweifelt oder sie herabwürdigt – im Gegenteil wird sich der fünfte Admiral unmittelbar im Anschluss sehr positiv und lobend äußern. Sie ist ein voll akzeptiertes Mitglied der Gruppe, auf der höchsten Ebene des valuanischen Militärs, und das ist selbst heute in der Realität ein sehr seltenes Phänomen.
– Beim 5. Admiral, De Loco, scheint der Name Programm zu sein (warum genau bitte trägt er eigentlich diesen Helm?) aber als Chef der Entwicklungsabteilung braucht man vielleicht eine gewisse Grundverrücktheit. Und egal, wie er auftreten mag, niemand verliert dazu auch nur ein Wort.

Hinzu kommt noch der bereits bekannte Alfonso als Spross einer alten und einflussreichen valuanischen Adelsfamilie. Was haben wir hier für eine Führungsebene versammelt? Sie ist äußerst divers und durchmischt – es gibt alte und junge Anführer, ungestüme und vorsichtige, Männer und Frauen, es gibt Kämpfer, Entwickler, Geheimdienstler und jemanden mit unmittelbaren, engen Beziehungen zu den höchsten politischen Kreisen. Die moderne Organisationstheorie hat schon vor Jahren festgestellt, dass solche durchmischten Gruppen mit Leuten aus unterschiedlichen fachlichen und persönlichen Hintergründen besser funktionieren als einheitliche Apparate, und Galcian als der oberste Heerführer scheint sich dessen bewusst zu sein und sich das gezielt zu Nutze zu machen.
Keiner zweifelt die Kompetenz der anderen Anwesenden an, sie äußern sich im Gegenteil lobend über ihre Kollegen und können sich sogar in Form von kleinen Späßen gegenseitig aufziehen. Selbst über Alfonso äußert sich niemand negativ oder zweifelt zunächst an seiner Aussage, er habe die Silviterin gefangen genommen. Die Admiräle haben es nicht nötig, sich voreinander aufzuspielen oder in Konkurrenz zueinander zu treten – vielleicht eben mit Alfonso als Ausnahme, aber die, die wir neu kennen lernen, machen nicht diesen Eindruck. Und sie sind Galcian treu ergeben, respektieren seine Autorität und befolgen seine Befehle bedingungslos.
Kurz gesagt: Die versammelten Admiräle sind eine äußerst professionelle und vermutlich sehr schlagkräftige Führungsspitze der Armada. Man erkennt gute Anführer daran, dass sie sich mit fähigen Untergebenen umgeben, und sowohl Galcian als auch die Admiräle schneiden hier sehr gut ab. Unfähige Witzfiguren als Anführer der bösen Truppen wird es hier nicht geben.

…mit einer bereits bekannten Ausnahme. Alfonso hat versucht, Galcian und seine Kollegen zu belügen, und einen gefälschten Bericht verfasst. Wenig überraschend, nicht wahr? Wie er es in der Einleitung angekündigt hat. Aber Galcian fällt darauf nicht herein, sondern kanzelt Alfonso am Ende des Treffens noch kurz und nebenbei ab, stellt ihn vor seinen Kollegen bloß und verbannt ihn bis auf weiteres nach „Ixa’taka“. (Es ist völlig egal, dass der Spieler aktuell nicht weiß, was das ist oder wo es liegt. Alfonso nimmt es als Bestrafung wahr, das reicht. Kann man ja später nochmal aufgreifen.) Wichtig: Es gibt keinen Widerspruch. Niemand widerspricht Galcian. Liegt das daran, dass sie ihn als ihren Vorgesetzten respektieren (oder vielleicht sogar fürchten?), an Alfonsos Unfähigkeit und seiner bewiesenen Schuld in dieser Sache, oder an beidem? Nicht ganz klar und im Endeffekt auch egal. Wichtig ist, dass Galcian und die anderen Admiräle genau wie der Spieler ganz klar sehen, dass Alfonso eine unfähige Luftnummer ist. Sie suchen keine Ausreden, um sein Versagen und seine aufgeblasene Art schönzureden, sondern sie sehen es wie der Spieler, und derjenige, der ihn bestrafen kann – Galcian – tut das auch. Das bestätigt den Spieler einerseits in seiner Wahrnehmung, andererseits läuft hier gerade wieder derselbe Trick wie in der Einleitung: Alfonso wird lächerlich gemacht, um die anderen Anwesenden aufzubauen. Sie erkennen die Schwäche und Dummheit ihres Kollegen. Sie wissen Bescheid, genau wie der Spieler.
Kluge Bösewichter sind um einiges gefährlicher.

Fina und die Kaiserin
Für die zweite Cutscene mit Galcian haben wir wieder einen Hauptcharakter anwesend – Fina steht zusammen mit Galcian und bewacht von valuanischen Soldaten vor der Kaiserin Teodora und dem Kronprinzen Enrique. Wo uns die Admiräle und Galcian selbst als enorm fähige und gefährliche Antagonisten präsentiert wurden, gibt Teodora ein anderes Bild ab.

Eine ältere Dame hält Reden wie ein Bond-Bösewicht, besessen von dem Gedanken, die Welt zu beherrschen und ihrem Sohn ein großes Reich – ein Weltreich – zu hinterlassen. Sie will die großen Massenvernichtungswaffen der Alten Welt, die „Gigas“, unter ihrer Kontrolle wieder auferstehen lassen und sie nutzen, um die Welt zu beherrschen, referiert darüber minutenlang ausgiebig und wird dabei Finas Hilfe in Anspruch nehmen.

Es ist interessant zu beobachten, dass Teodora Fina nicht um Hilfe bittet, nicht danach fragt – wie es selbst Galcian getan hat – sie befiehlt nicht einmal, nein, sie stellt einfach so ganz selbstverständlich fest, dass Fina ihr und ihrem Reich helfen wird, die Moon Crystals (mächtige Mondsteine, die längst vergessene Massenvernichtungswaffen der alten Welt wieder aktivieren und unter Valuas Kontrolle bringen sollen) zu finden. Sie denkt nicht einmal darüber nach, dass es Fina in den Sinn kommen könnte, zu widersprechen. Ja, sie denkt nicht einmal darüber nach, dass es dem Kronprinzen in den Sinn kommen könnte, an ihrer Art der Herrschaft und ihrem großen Ziel der Weltherrschaft zu zweifeln. Was mag ihr sonst alles nicht in den Sinn kommen? Teodora ist eine verblendete Despotin, deren Reaktion auf Finas Widerspruch darin besteht, ihre sofortige Enthauptung zu fordern – wie war das noch gleich mit „Du wirst uns dabei helfen“? Sollen wir diese Frau ernst nehmen? (Spoiler: *hust*)

In diesem Moment erfährt Galcian von der Flucht der Luftpiraten aus der Arena. Seine Reaktion? Kaum vorhanden. „Ja, ich komme gleich“, bevor er noch zwei Punkte auf der Agenda mit der Kaiserin bespricht. Erstens holt er sich die formale Erlaubnis der Kaiserin, die Armada einsetzen zu dürfen, wie er es beim Treffen den Admirälen gegenüber schon angekündigt hat, und das Protokoll muss ja gewahrt bleiben. Zweitens bittet er um eine Beförderung für seinen Vizekapitän Ramirez zum 6. Admiral der Flotte. Teodora ist das ziemlich egal, Galcian soll tun, was er will, solange er die Moon Crystals beschafft.
Aber Fina reagiert auf den Namen.

Wer ist Ramirez? Er hat bislang ein paar Worte mit Galcian gewechselt und stand ansonsten halt so dabei in den Szenen mit ihm. Bislang hatten wir keinen Grund, anzunehmen, er könnte mehr sein als Hintergrundstaffage, Galcians mehr oder weniger unbedeutender Adjutant. Jetzt finden wir heraus, dass Fina ihn zu kennen scheint. Woher, wissen wir nicht, bislang wissen wir gar nichts über Ramirez außer seinem Namen und seiner Position – genau wie bei der ersten Begegnung mit Fina. Es ist eine wenig subtile Andeutung, natürlich, aber: es ist eine Andeutung. Ramirez‘ zunehmend wichtige Rolle im Spiel käme sonst später ziemlich aus dem Nichts, und um das zu verhindern, bekommen wir die ersten Andeutungen schon in den ersten Spielstunden. Sauber erzählt.
Gleichzeitig gibt es mit der Andeutung auch gleich ein paar offensichtlich naheliegende Gedanken, woher Fina und Ramirez sich kennen könnten – immerhin gibt es aktuell noch ein großes Loch in Finas Hintergrundgeschichte, da muss doch was sein? Das Mysterium gerade klar genug erkennbar, um den Spieler dazu zu bewegen, darüber nachzudenken und zum Schluss zu kommen, dass aktuell nicht genug Informationen da sind – umso neugieriger wird der Spieler auf diese Informationen warten, und umso größer ist der Effekt, wenn diese Informationen irgendwann schließlich kommen. Spoiler: Das werden sie.

Nach der Arena: Flucht aus Valua
Während Fina noch zur Kaiserin gebracht wird, trifft Vyse seine Freunde und Familie in einem geheimen Raum, den Marco ihnen gezeigt hat. Vyses Vater und der Rest der Crew sprechen Vyse ihre Anerkennung und ihren Dank aus, und es wird entschieden, wie weiter verfahren werden soll. Es ist eine notwendige Szene, aber verglichen mit der großen Show in der Arena oder den unmittelbaren Einblicken in die valuanische Führungsebene geht sie ein bisschen unter. Sie ist recht unspektakulär, und das ist auch in Ordnung so – der Spieler erhält ein bisschen Luft zum Durchatmen, er bekommt gezeigt, wie es weiter geht, und sonst gerade mal nichts. Zwischendurch muss eine Geschichte auch mal den Fuß vom Gaspedal und das Tempo ein bisschen heraus nehmen, und gutes Pacing zeichnet sich dadurch aus, dass die Geschichte solche Räume lässt (insbesondere an diesem Ruhepunkt zwischen zwei intensiven Höhepunkten).
Erwähnenswert ist, dass Dyne sich seinem Sohn gegenüber besonders lobend äußert, sich für den Rest der Flucht aus Valua seiner Führung und Organisation beugt, ihm die Entscheidung über das weitere Vorgehen überlässt und ihm zur Unterstützung noch seinen gelben Mondstein übergibt. Vielleicht ist das der Moment, in dem Dyne seinen Sohn zum ersten Mal wirklich als erwachsenen Mann wahrnimmt – darauf werden wir in der folgenden Episode noch einmal genauer eingehen.
Außerdem gibt es wieder eine Entscheidung zu fällen, und die ist diesmal tatsächlich ziemlich knifflig. Nach der Flucht aus der Arena erhalten die Piraten die Information, dass Fina zum Palast gebracht wurde, und stehen vor der Frage, wie sie weiter machen sollen. Die Option, erst mal etwas zurückhaltender aufzutreten, liegt nahe, weil Valua aufgeschreckt ist und nach ihnen sucht – wäre es dann nicht einfacher, Valua zu verlassen, wenn sich die ganze Lage wieder beruhigt hat? Nun, tatsächlich ist das Gegenteil der Fall – die Zeit drängt, und wenn Fina erst einmal in der Grand Fortress gefangen ist, gibt es keinen Weg mehr, sie zu befreien. Außerdem können sich die Helden zunutze machen, dass Valua gerade aufgeschreckt und ungeordnet nach ihnen sucht, und die Tore der Grand Fortress sind offen – das ist die Gelegenheit zu fliehen. In Wahrheit ist die Frage „jetzt oder nie!“, und nachdem die Gruppe gerade eben erst aus dem Kolosseum geflohen ist, kommt dieser nächste, der wahre Spannungshöhepunkt sehr schnell. Die Entscheidungsmöglichkeit für den Spieler betont die Wichtigkeit dieser Entscheidung und dass die Piraten genau diesen Moment ausnutzen müssen.
Oh, und der Abschluss von Marcos kleinem Storyarc wird auch noch vorbereitet.

Vyse und Marco: Der Abschied
Schon unmittelbar nach der Flucht auf der Arena stößt Marco wieder zu der Gruppe, und von seinem übertrieben selbstsicheren Auftreten ist nichts mehr übrig geblieben. Vyse hat das scheinbar Unmögliche vollbracht. Er hat nicht aufgegeben und seine Freunde und Familie erfolgreich vor der Hinrichtung bewahrt. Dass Marco wieder dazu stößt, ist Beweis genug, dass Vyses Worte und folgende Handlungen zu ihm durchdringen, ihn erreichen und etwas bewirken – aber was wird noch daraus? Wo führt das hin?

„I’m ready for anything, Marco. In the midst of the storm, I can see the one path that will get us out of Valua. I’ve got to try.” – Vyse

Zunächst gibt Marco Vyse den entscheidenden Hinweis, wie er nach Upper City kommt. Er verbindet dies mit einer ernst gemeinten Warnung vor den Wachen und sagt, er sollte nicht gehen, weil es zu gefährlich ist, aber er macht sich nicht darüber lustig oder versucht, Vyses Pläne als „unmöglich“ kleinzureden, wie er das noch am Abend vorher getan hat. Er respektiert Vyse schon und hat gelernt, dass Vyse keine Angst kennt, dass er das scheinbar Unmögliche angehen wird – und eine unmögliche Tat hat er ja heute schon vollbracht.
Es ist bemerkenswert, dass Marco ihm trotzdem folgt und ihn bittet, nicht nach Upper City zu gehen, nicht zu versuchen, Fina auf dem Weg zur Grand Fortress abzupassen und nicht zu versuchen, aus Valua zu fliehen. Marco tut das jetzt nicht aus dem Bedürfnis, Vyses Träume kleinzureden oder sich ihm gegenüber aufzuspielen, um seine Unsicherheit zu überspielen. Im Gegenteil: Er zeigt sich vor Vyse aufs Äußerste verletzlich. Er bittet ihn, nicht zu gehen, weil er sich um ihn sorgt, er zeigt das ganz offen, und er erzählt Vyse sogar, warum er sich so sorgt – weil er seine Eltern bei einem Fluchtversuch aus Valua verloren hat. Es ist eine vollkommen verständliche Begründung dafür, dass er Angst um Vyse hat – die letzten Menschen, die ihm wichtig waren, sind genau bei dem, was Vyse als nächstes vorhat, umgekommen. Vyses Worte und Taten, sein Beispiel, haben ihn erreicht und etwas in ihm bewirkt. Er hat wieder Hoffnung, und er fürchtet, diese jetzt wieder an Valua zu verlieren – weil er glaubt, dass das, was er als nächstes vorhat, unmöglich ist. So weit reicht seine Hoffnung nicht.
Und Vyse macht ihm dieses letzte bisschen Hoffnung, das er noch braucht, um nicht an ihm zu zweifeln und keine Angst um ihn zu haben.

I have to go… I don’t have a choice. And every time I hear the word ‘impossible’ … it makes me want to prove everyone wrong.
A long time ago, a small group of sailors took a small boat out into uncharted skies. They had no idea what they would find … Monsters… a maelstrom… the end of the world… It was because these sailors challenged the unknown, that new lands were discovered.
If we challenge ourselves, and never give up, our horizons will broaden… in our hearts, and in our minds…
I need to push myself every day. I have to know what I can accomplish… I never give up, and so far, nothing has stopped me. … Don’t worry about me. I believe that we’ll make it out… I will find a way… that’s what keeps me going. I’m going to prove that it’s not impossible to escape. Impossible is just a word to let people feel good about themselves when they quit.” – Vyse

Vyse sagt zum einen Marco mit dieser Rede, dass er keine Angst um ihn haben soll, nur weil er glaubt, dass etwas unmöglich sei. Vyse glaubt nicht an das Unmögliche. Er wird einen Weg finden, egal wie. Egal ob alle die Flucht für unmöglich halten, davon wird er sich nicht aufhalten lassen. Er wird es schaffen. Keine Angst, Marco. Zum anderen ermutigt er ihn noch einmal ausdrücklich, sich nicht aufzugeben, sondern jeden Tag nach dem Unbekannten zu suchen, nach neuen Herausforderungen, nach Möglichkeiten, seinen eigenen Horizont zu erweitern – und schließlich auch seinem Beispiel zu folgen. Valua verlassen und als Seemann die Himmel bereisen. Er gibt Marco ein Ziel und das Selbstbewusstsein, dass er dieses Ziel erreichen kann.
Es ist der Abschluss von Marcos Arc in diesem Kapitel, und er landet perfekt auf einer hoffnungsvollen, positiven Note. Und es ist ein, vielleicht der Schlüsselmoment für Vyses Charakterisierung. Vielleicht noch mehr als seine Rede aus dem ersten Kapitel, in dem er seinen Herzenswunsch offenbart, sagt uns diese Rede, was Vyse für eine Person ist. Ein Optimist, ja, aber auch angetrieben davon, ständig besser zu werden, neue Dinge zu lernen, neue Herausforderungen zu überwinden. Er glaubt nicht an das Unmögliche, nur an neue Herausforderungen. Wie er sagte beim Anblick der Grand Fortress, er liebt Herausforderungen. Neue Entdeckungen, neue Länder, neue Kulturen, neue Freunde, neue Erfahrungen. Er will keine Macht oder Reichtümer, er will Abenteuer. Nicht umsonst ist dieser eine Satz „Impossible is just a word to let people feel good about themselves when they quit“ Vyses Tagline im Skies of Arcadia-Wiki – besser kann man ihn nicht in einem Satz zusammenfassen.

Um den Punkt aus Kapitel 1 noch einmal aufzugreifen: Selbst in dieser düstersten Ecke der bekannten Welt, in einem dunklen, stinkenden Kanal unter Valuas Upper City, einem dekadenten, rücksichtslos ehrgeizigen Ort, findet ein Waisenjunge neue Hoffnung, während ein junger Pirat dazu aufbricht, eine Freundin aus den Griffen des bösen Imperiums zu befreien. Die Szene ist, bei allen Schwierigkeiten, vor denen die Helden stehen mögen, vollkommen unzynisch, offen und ehrlich hoffnungsvoll. Quervergleich: Midgard aus Final Fantasy 7, ein Spiel und ein Setting, in dem „Hoffnung“ kaum einen Platz hat. Bis heute sind dieser grundlegende Optimismus, die vermittelte Überzeugung, dass die Verwirklichung deiner Träume nicht unmöglich ist, und diese hoffnungsvolle, positive Haltung in dieser Form sehr selten anzutreffen – im JRPG-Sektor und weit darüber hinaus. Skies of Arcadia nimmt diese Grundhaltung voll an, baut sie tief in das grundlegende Auftreten der Hauptfiguren und in die grundsätzlichen Themen der Story ein und schafft es trotzdem, eine äußerst spannende und mitreißende Story zu erzählen. Diese Kombination ist vielleicht die Krönung in der Kunst des Geschichtenerzählens und unglaublich schwer richtig zu machen, und darum – genau darum – ist Skies of Arcadia so unglaublich großartig.
Solche Momente werden wir noch einige Male erleben dürfen.

Upper City
Um Fina zu befreien, schleicht Vyse sich nach Upper City, und sieht sie dort, wie sie mit zwei Bewachern in einen Zug in Richtung der Grand Fortress gesetzt wird. Vyse und Aika springen ebenfalls an Bord und machen sich an ihre Befreiung.
Upper City als Abschnitt im Spiel ist extrem kurz – über einen Platz laufen, eine Treppe hoch, fertig – und ist der einzige Blick, den wir auf die Stadt bekommen. Upper City ist im Gesamtbild von Skies of Arcadia so unwichtig, dass wir keine zehn Minuten an diesem Ort verbringen. Warum sollten wir auch mehr Zeit brauchen? Die Verkörperung von Valua als Bösewicht ist für den Spieler die Armada, angeführt von ihren Admirälen unter Galcian, der direkt Kaiserin Teodora Bericht erstattet. In dieser Gleichung taucht Upper City nicht auf und ist eigentlich gar nicht nötig.
Es ist trotzdem wichtig, dass wir diesen Einblick bekommen. Wir haben Lower City gesehen, und wie die Menschen dort leben, wie hart sie ums Überleben kämpfen, wie hoffnungslos sie sind. Wie kann das sein? Warum kümmert sich da niemand drum? Weil es sie nicht berührt. Weil Lower City viel zu weit weg ist vom Kaiserpalast und von Upper City. Weil sie nur ihre Arbeitskraft brauchen, um Schiffe zu bauen, und ihre Soldaten von dort beziehen, mehr nicht. Weil sie von der Ungleichheit profitieren. Weil selbst in Upper City manche Familien besser sind als die anderen, weil sie einen nobleren Namen haben oder berühmter sind – etwas, an dem niemand etwas ändern kann – und weil ein völlig verarmtes Lower City eben genau so dazu gehört und nicht zu ändern ist. Man muss ja nicht hingehen und hat wichtigeres zu tun.
Upper City zeigt uns in zehn Minuten ganz deutlich, wie die herrschende Kaste in Valua denkt und fühlt, und hilft uns so zu verstehen, wie es sein kann, dass ein Ort wie Lower City überhaupt existiert, während sich das Reich seinen Weltherrschaftsplänen widmet. Es ist ein simples Bild – die Oberen, die Kaiserin, die Admiräle und Galcian interessiert es einfach nicht. Sie verfolgen ihre Ziele, ohne sich von äußeren Umständen ablenken zu lassen, und ordnen dem alles unter. Rücksichtslos und zielstrebig gehen sie die Welteroberung an, und das Leid, das sie damit in Kauf nehmen, ist egal.
Damit lernen wir das Reich auf einer gewissen, nahezu „persönlichen“ Ebene kennen, die wir ohne Upper City so nicht hätten. Ein zusätzlicher Eindruck von Valua, der noch einige Male im Spiel in spätere Handlungsstränge mit hineinspielen wird. Um uns das zu vermitteln, brauchte Skies of Arcadia keine zehn Minuten – gut investierte Zeit.

Galcians Befehl
Nach seinem Termin bei der Kaiserin nimmt Galcian nun die Arena in Augenschein und erhält dort die Information, dass ein paar Piraten in Upper City gesichtet wurden, wo sie sich an Bord eines Zuges geschlichen haben. Das ist die Information, die Galcian endlich dazu bewegt, persönlich aktiv zu werden, weil er – richtigerweise – vermutet, dass es sich um den Zug handelt, der Fina zur Grand Fortress bringt. Zu den entkommenen Piraten fällt ihm nichts weiter ein als die Einschätzung, dass es egal ist, dass sie entkommen sind, aber wenn es um Fina geht, reagiert er sofort und ohne zu zögern. Das zeigt ganz klar die Prioritäten der Armada – die Piraten sind schlimmstenfalls nervig, aber Fina ist von zentraler Bedeutung für die Sammlung der Moon Crystals.
Seine Reaktion ist kühl kalkuliert und maximal effizient. Es gibt nur einen Ausgang aus Valua, das Tor der Grand Fortress. Egal ob es eigentlich noch einige Zeit offen bleiben soll – es ist ja sicher von großer Bedeutung für Handelsschiffe, Lieferungen etc. – er gibt den Befehl, das Tor zu schließen, sofort, und die Armada vor dem Tor in Stellung zu bringen. Solange sichergestellt ist, dass sie keinen Weg aus Valua hinaus haben, haben sie Zeit, um den Rest gründlich zu erledigen, und darum wird er sich höchstpersönlich kümmern.
Vyse muss nun also für den Weg nach draußen nicht nur durch die Grand Fortress entkommen, die gerade geschlossen wird, er will auch vorher noch Fina retten und wird dabei garantiert auf Galcian treffen. Der Konflikt, der schon letzte Woche angedeutet wurde, tritt jetzt in den Vordergrund, und der Arc rast auf seinen Höhepunkt zu wie der gekaperte Zug auf die Grand Fortress. Die Zeit drängt!

Der Zug
Ein Zug ist eigentlich ein ziemlich tolles Setting in einem Actionfilm. Es geht immer nur in eine Richtung, eventuelle Herausforderungen können nicht umgangen werden, und falls die Helden zusätzlich noch von hinten verfolgt werden, wird die ganze Situation automatisch extrem drängend. Der Film Snowpiercer von 2013 beispielsweise nutzt das Setting eines fahrenden Zuges herausragend gut für seine grundlegende Story und die Actionsequenzen.
Skies of Arcadia hält diese Zugsequenz verglichen damit recht simpel und erzielt trotzdem einen ganz ähnlichen Effekt. Vyse und Aika hauen sich durch eine ganze Reihe von Zufallskämpfen und kommen Fina Schritt für Schritt näher, während Galcian ihnen dicht auf den Fersen ist, um ihre Befreiungsaktion zu unterbinden. Für den Spieler fühlt sich die ganze Situation dringend an – tatsächlich lässt Galcian sich Zeit, es gibt ja ohnehin keinen Weg aus dem Zug, und so können Vyse und Aika zu Fina vordringen, ihre Bewacher in einem einfachen Bosskampf überwinden und sie befreien.
Nur um dann von Galcian gestellt zu werden.

Der Kommandant der Armada verhält sich in dieser Szene überraschend respektvoll Vyse gegenüber und sucht mit ihm aktiv das Gespräch, statt die Eindringlinge direkt zu überwältigen und festzunehmen, oder sie gleich aus dem Weg zu räumen. Er stellt sich förmlich vor, fragt Vyse nach seinem Namen, gibt zu erkennen, dass er ihn wieder erkennt als derjenige, der einen seiner Admiräle geschlagen hat, und bietet ihm an, sein Leben und das seiner Freunde und Familie zu verschonen, wenn er ihm Fina übergibt.
Es ist nicht ganz klar, was Galcian sich eigentlich an der Stelle erhofft – wenn er Vyse und Aika vorher im Zug erwischt, beendet er den Bosskampf mit einem einzigen Angriff. Er hat es eigentlich nicht nötig, mit ihnen zu verhandeln. Also, warum tut er es hier? Will er sie täuschen? Warum das, statt sie direkt selbst aus dem Weg zu räumen? Hat er Interesse an Vyse und will wissen, wer so einfallsreich und erfolgreich ins Kolosseum eingebrochen ist und jetzt noch die wertvolle Gefangene direkt unter seinen Augen befreit? Will er Vyse vielleicht sogar für seine Sache gewinnen? Immerhin hat er sein Auge für fähige Mitarbeiter schon bewiesen (und die Admiräle werden den Eindruck noch oft bestätigen), Vyse hat zur Genüge bewiesen, was in ihm steckt, und wie sich noch zeigen wird, können in der Armada auch fähige Leute von niedriger sozialer Herkunft sehr erfolgreich werden. Ist sein Angebot, die Piraten gehen zu lassen, ernst gemeint? Immerhin betrachtet er sie die ganze Zeit schon als unwichtig, Fina ist aber anscheinend von fundamentaler Wichtigkeit.
Vielleicht will er die ganze Sache auch nur mit möglichst wenig Aufwand erledigen. Der Spieler kann Galcians freundliches Angebot höchstpersönlich ablehnen und ihm ins Gesicht werfen (die offensichtlichste Entscheidung aller Zeiten) und sich dabei gut und mutig fühlen, aber Galcian ist das im Grunde egal. Mehr als „Dann musst du sterben“ fällt ihm nicht dazu ein.

Und dann kommt in einem großartigen Twist Drachma mit der Little Jack vorbei und schießt den Waggon zu Klump.

Es ist eine glaubwürdige Lücke im Netz, das Galcian gespannt hat – er wollte die Piraten gehen lassen und Fina sichern, indem er ihre Befreier persönlich stoppt, er hat die Armada zur Grand Fortress beordert und lässt das Tor schließen. Valua weiß nicht, wie Vyse eigentlich genau hineingekommen ist, aber dass er ein bewaffnetes Schiff zur Verfügung hat, nachdem die Armada das Piratenschiff zerstört hat, war nicht zu erwarten. Selbst Vyse hatte diese Rettungsaktion nicht mit Drachma abgesprochen – vereinbart war, dass sie sich an der Little Jack treffen. Gleichzeitig ist es auch glaubwürdig, dass Dyne nicht tatenlos herumsitzen will, während sein Sohn sich durch Upper City schleicht und kämpft, und sie werden wenigstens ein paar Manöver der Armada, und dass der Weg frei ist, mitbekommen haben.
Es ist ein glücklicher Moment, aber glaubwürdig, und so bleibt Galcian nur, wütend dem vorderen Teil des Zuges hinterherzublicken, der Vyse, Aika und Fina in Sicherheit aus seiner Reichweite bringt.
Ihm bleibt der Trost, dass die größte Herausforderung noch vor den Helden liegt.

Die Flucht aus der Grand Fortress
Die Armada ist vor Ort, und das Tor schließt sich. Wie soll ein kleines Fischerboot da durch kommen? Die zweite Überraschung für die Armada: Das Schiff, mit dem die Piraten fliehen, hat eine Harpunenkanone, und die darf ihre Macht jetzt eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Es ist der zweite echte Schiffskampf in der Story – nachdem der Spieler im vorigen Kapitel gegen Baltor die Grundlagen gelernt und erfolgreich angewendet hat, bekommt er hier mit der Harpunenkanone ein eindrucksvolles neues Spielzeug in die Hand gedrückt und den Umgang damit beigebracht. Nach und nach enthüllen die Schiffskämpfe zusätzliche Tiefe und werden damit mehr als nur eintöniges Betrachten von überlangen Animationen, sondern strategisch und taktisch echt interessant. Das Tempo, mit dem der Spieler diese Dinge in den Schiffskämpfen beigebracht bekommt, und wie der Spieler die neuen Möglichkeiten erklärt bekommt, ist dabei sehr gut gewählt.
Die Harpunenkanone ist im Spiel auch genau so mächtig, wie es auf Sailor’s Island hieß. Das erklärt für die Story, wie die kleine Little Jack sich einen Weg durch die Armada zum Tor der Grand Fortress freischießen kann.
Und nach allem, was Vyse auf sich genommen hat, um seine Freunde und Familie aus Valuas Gefangenschaft zu befreien und vor dem sicheren Tod zu retten, nachdem er einem verlassenen Waisenjungen, der sich schon aufgegeben hatte, neue Hoffnung gegeben hat, nachdem Fina sich gegen die Befehle der Kaiserin gewandt hat – nach all diesen Akten von Tapferkeit, Mut und Hoffnung gewährt das Universum Vyse und seinen Freunden die kleine Gnade und lässt sie durch das Tor der Grand Fortress schlüpfen, bevor es sich hinter ihnen schließt und die Armada von der Verfolgung abhält.

Galcians abschließende Reaktion
Vyse ist in diesem Kapitel in die Höhle des Drachen geschlichen, hat die Jungfrau befreit, die er gefangen hielt, sich an seinen Schätzen bedient, dem schlafenden Drachen mit aller Wucht auf den Schwanz getreten, ihm ins Gesicht gelacht und ist unter großem Getöse aus der Höhle entkommen. In der Tat, er liebt Herausforderungen – und er kommt durch damit. Mindestens +3 auf der nach oben offenen Badass-Skala. Dem Drachen bleibt nur ein wütender Blick hinter dem Helden her.

Wir haben Valua einen kleinen, unbedeutenden Stich versetzt, gerade genug, um den Drachen zu ärgern. Mehr nicht. Der Drache ist wütend. Valua ist wütend. Galcian ist wütend.
Wir haben Valua und die Armada nicht zum letzten Mal gesehen.

Finas Story-Reveal
Nun, jetzt, an dieser Stelle, mit Abschluss des Valua-Arcs, enthüllt uns Skies of Arcadia endlich, worum es wirklich geht. Der Spieler hat Vyse und Aika ausführlich kennen gelernt und an ihrer Seite große Heldentaten vollbracht – jetzt ist der Zeitpunkt für die Einführung der wahren Bedrohung in Form einer Geschichtsstunde. Zu Beginn des Spiels hätte uns das erschlagen, aber jetzt kennen wir zumindest einen Teil der Welt und fühlen uns in ihr fast zuhause, wir kennen die Helden, die Bösewichte und ihre Motivation, wir haben gesehen, wie Fina ihnen trotzt und wie wichtig ihre Mission ist. Jetzt sagt sie uns, was ihre Mission ist – selbstverständlich hören wir zu, wir sind längst so interessiert.
Und so erzählt uns Fina von den alten Zivilisationen, die es vor Hunderten von Generationen in der Welt von Skies of Arcadia gab, ihrer hoch entwickelten Technik, und wie sie diese nutzten, um Krieg gegeneinander zu führen. Die Massenvernichtungswaffen, die sie schufen, die „Gigas“, existieren noch und können mit den versteckten Moon Crystals wieder erweckt und kontrolliert werden. Das ist Valuas Ziel – Weltherrschaft mittels Kontrolle über die Gigas.
Der Konflikt dreht sich also ab jetzt um die Suche nach den Moon Crystals und den Besitz eben dieser. Auch das ist ein alter Standardtrick der Geschichtenerzählung – ein oder mehrere entscheidende Objekte werden eingeführt, um die gekämpft wird. Skies of Arcadia sagt uns klar, warum diese Objekte wichtig sind und warum sich die valuanischen Pläne so um diese Moon Crystals drehen – mehr brauchen wir nicht. Valua muss aufgehalten werden, egal was ihre Pläne sind, so gut haben wir das schon gesehen – und außerdem: das ist für Vyse und Aika die Chance, ihre Träume zu verwirklichen. Schon alleine deswegen müssen sie mit auf die Reise. Es ist gar keine Frage, und so endet diese Episode mit dieser glasklaren Entscheidung und der festen Zusage von Vyse und Aika, Fina bei der Suche nach den Moon Crystals zu helfen (die erneut der Spieler eingeben kann).
Im nächsten Artikel werde ich darauf noch mal ausführlicher eingehen.

Kleine Beobachtungen:
Die Ereignisse in Valua sind so dicht gestaffelt und alle auf der ein oder anderen Ebene – Story, Charakterisierung, Thematik – so wichtig, dass sie im Artikel entsprechend groß behandelt werden mussten und nicht mehr viel Material für „kleine“ Beobachtungen bleibt. Trotzdem, hier noch ein paar:
– Dyne zieht Vyse mehrere Male damit auf, dass er spät dran ist. Nachdem er ihm in Kapitel 1 noch Strafen dafür angedroht hat, wird diese Behauptung in diesem Kapitel zu einem kleinen Running Gag – eine Form von Dankbarkeit von Dyne und eine passende Erklärung, warum sie ihn am Zug abgeholt haben – und wird anschließend komplett fallen gelassen.
– Hätte Drachma Marco wirklich getötet? Ich glaube es nicht – warum, werde ich in einem späteren Artikel ausführen. Er versucht, Marco einzuschüchtern und zum Schweigen zu bewegen – und auch wenn Marco darauf nicht reagiert, erkennt Vyse einen anderen Ansatz, um Marco auf ihre Seite zu ziehen. Drachma tritt als Bad Cop auf, gegenüber Vyses Good Cop-Routine, und so kriegen sie Marco überzeugt, sich ihnen anzuschließen.
– Während Vyse Marco von seiner Überzeugung erzählt, dass nichts unmöglich ist, und ihm neue Hoffnung macht, zeigt die Kamerabewegung von Vyse die Leiter hinauf nach Upper City und unterstützt damit Vyses Rede, nach neuen Herausforderungen und Möglichkeiten zu suchen, um sich ständig zu verbessern. Es kann immer Hoffnung geben, um sich aus einer schwierigen Situation herauszukämpfen und sie erfolgreich zu überwinden. Die situation ist schlecht? Dann kann es nur besser werden, nur aufwärts gehen.
– Warum schlägt Valua nicht zurück gegen die Piraten? Das Spiel geht darauf nicht ein. Ich sehe verschiedene potenzielle Erklärungen – Pirate Isle ist weit weg von Valua, sie haben sie bislang ja auch machen lassen, sie haben ohnehin ihr Schiff zerstört und schätzen sie offenbar nicht als Bedrohung ein, und mit der Suche nach den Moon Crystals auf der ganzen Welt ist die Armada eh erst mal ausgelastet – aber ja, das ist ein Plothole. Aber auch das ist nicht so groß, dass es wirklich im Lauf der Geschichte von Skies of Arcadia auffallen würde – und wer sagt, dass die Armada sich nicht im Rest des Spiels noch ein paar andere Maßnahmen einfallen lässt?
– Bis zu der Verfolgungsjagd auf dem Zugdach trägt Galcian einen langen Mantel. Sehr schön gemacht, handwerklich sehr anspruchsvoll, hochelegant – und äußerst unpraktisch. In Kapitel 2 habe ich geschrieben, dass er damit vielleicht etwas verbirgt – jetzt, in diesem Kapitel, an dieder Stelle, legt er den Mantel ab und wird zum ersten Mal eine unmittelbare Gefahr für die Helden. Der gefährlichste Bösewicht zeigt sein wahres Gesicht!
– Die Gigas waren die schlimmsten Waffen im Krieg der alten Zivilisationen. Gestoppt wurden sie durch den Regen der Zerstörung („Rains of Destruction“). Das sagt uns einerseits, dass die Gigas zu mächtig sind, um sie auf normalem Weg aufzuhalten, und betonen die Gefahr, die Valua darstellt, wenn sie diese Gigas kontrollieren. Andererseits: Es gibt etwas, das die Gigas zerstören kann. Valua will also gar nicht mal die größte Waffe im Spiel? Was sind die Rains of Destruction? Eine göttliche Strafe, um die Gigas aufzuhalten? Besteht die Gefahr, dass sie wiederkommen, wenn auch die Gigas zurückkehren? Niemand weiß, was den Regen verursacht hat – was ist da los? Ein offensichtliches Mysterium, um das sich anscheinend niemand kümmert? Nun, anders als die Gigas, von denen man weiß (bzw. glaubt zu wissen), dass sie durch die Moon Crystals kontrolliert werden, weiß niemand irgendetwas über den Regen, daher kümmert sich darum auch niemand. Aktuell sind die Gigas der Fokus der Geschichte und werden das für eine lange Zeit bleiben.
– Auf die Nutzung von Nacht und Beleuchtung in Valua bin ich am Anfang des Artikels eingegangen. Für die Befreiungsaktion in der Arena warten die Helden den Beginn eines neuen Tages ab, an dem sich das Schicksal ihrer Freunde entscheiden wird – diese Entscheidung verleiht den folgenden Konflikten am nächsten Tag zusätzliche Bedeutung, Spannung und erzählerisches Gewicht.
– Worauf ich bislang kaum eingegangen bin, aber einmal ausdrücklich hervorheben will: Skies of Arcadias Nutzung von humorvollen Situationen zur Auflockerung („Comic Relief“). Selbst in einem so düsteren, spannenden Kapitel wie diesem hier gibt es noch Momente wie den, in dem Vyse Marco am Kragen packt und hochnimmt, oder wo Aika beim Sprung auf den Zug stürzt, oder bestimmte Situationen in den Dialogen, wie beispielsweise an der Stelle, wo Vyse sich über den Motor der Little Jack beschwert und Drachma im selben Moment in den Raum spaziert – Momente, in denen wir als Spieler zum Lachen gebracht werden. In einem so grundlegend optimistischen, positiven Spiel wie Skies of Arcadia braucht es solche Momente, aber gleichzeitig besteht immer die Gefahr, damit die aufgebaute Spannung zu zerstören, und den Fehler macht Skies of Arcadia nicht. Es gibt keine Charaktere, die nur für Comic Relief da sind, und die Ernsthaftigkeit der Situation wird immer nur aufgelockert, aber nicht komplett aufgelöst. Ich werde versuchen, darauf in den folgenden Teilen mehr einzugehen.

Musikstücke der Woche: „Valua City“ und „Imperial Theme“. Das „Imperial Theme“ ist um einiges langsamer und getragener als die verwandten Stücke „Armada“ und „Galcian’s Theme“, feierlicher, aber lange nicht so düster und bedrohlich wie Galcians Thema oder so militärisch stark angehaucht wie das Armada-Thema. Es passt zum einen zum eher zivilen Arm des valuanischen Reichs verglichen mit dem Militär und dem obersten Feldherrn des Landes – und stellt andererseits subtil hervor, dass die Armada und Galcian für den Spieler viel größere Bedrohungen sind.
„Valua City“ ist dagegen die musikalische Untermalung von Lower City und vertont die erdrückende Hoffnungslosigkeit der valuanischen Einwohner sehr passend. Langsam, düster, disharmonisch-traurig, einsam, hoffnungslos. Das ist Valuas wahres Gesicht und wird absolut passend vertont.

Nächste Woche: Die Suche beginnt

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Geschrieben von: Tikal

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