Was passiert? Die Armada greift die Piraten an und nimmt sie alle gefangen. Vyse und Aika brechen auf, um sie zu befreien, und stolpern allein in die weite Welt von Skies of Arcadia.
VOD vom Stream; Beginn ca. 0:17:00
„Just lie here, Pop. I’ll take care of you now. I’m with you now. I’m with you.“ – Michael Corleone
Eine der grundlegendsten Lektionen für Autoren besteht darin, Übergänge zwischen Akten in Form von einschneidenden Veränderungen („Katastrophen“) zu gestalten. Wir sind fertig mit der Einleitung, jetzt brauchen wir etwas Einschneidendes, etwas Schreckliches, das den Helden dazu zwingt, darauf zu reagieren. Im Englischen gibt es dafür den schönen Ausdruck „raise the stakes“, übersetzt etwa „den Einsatz erhöhen“ – im Deutschen sagt man das nur beim Kartenspiel, im Englischen wird aber damit auch die steigende Spannung und der entwickelte oder verschärfte Konflikt bezeichnet. Wenn wir uns eine Piratengeschichte anschauen wollen: der erste Fluch der Karibik hat einen solchen Moment, in dem die Black Pearl Port Royal überfällt und Elizabeth entführt. Will kann nicht einfach still sitzen bleiben, sondern er muss losziehen und sie befreien. Er kann nicht anders. Es geht nicht. Er fühlt sich so sehr dazu gezwungen, dass er sogar den berüchtigten Piraten CAPTAIN! Jack Sparrow aus dem Gefängnis befreit und mit ihm gemeinsame Sache macht, weil er glaubt, dass er ihm helfen kann.
Das nachdrücklichste Beispiel für eine solche Katastrophe findet sich für mich aber in einem anderen Film.
Der Mordanschlag auf Don Corleone
Francis Ford Coppolas Der Pate ist ein Meisterwerk der filmischen Erzählkunst und gilt weithin als einer der besten Filme aller Zeiten. Don Corleone, das Oberhaupt einer mächtigen Mafiafamilie, hält Hof am Tag der Hochzeit seiner Tochter. Wir lernen seine Söhne kennen, seine wichtigsten Mitarbeiter, wir sehen die Art und Weise, wie er Geschäfte macht. Wer kennt nicht das „Angebot, das er nicht ablehnen kann“, oder irgendeins der unzähligen Mafiaklischees, die auf diesen, genau diesen und nur diesen Film zurückgehen und der sogar die echte Mafia in ihrem Auftreten beeinflusst hat? Der Film nimmt sich über eine halbe Stunde Zeit, um alles einzuführen, einschließlich einiger anderer Mafiosi, die mit einem Angebot zu ihm kommen, das er ausschlägt. Alles in einem ruhigen, gemächlichen Erzähltempo, um dem Zuschauer auch ja Zeit zu geben, um sich in den Film hineinzufinden.
Und dann wird Don Corleone angeschossen. Fünfmal, in einem Mordversuch.
Es ist die erste Eskalation im Film. Das Ende der Einleitung. Der Moment, ab dem es kein Zurück mehr gibt. Der Moment, der die anderen Figuren in der Geschichte zum Handeln zwingt. Die Option, passiv zu bleiben, existiert nicht, nicht mehr. Der offene Krieg, der im Folgenden zwischen den Mafiafamilien ausbricht, ist unvermeidlich und zieht selbst Don Corleones jüngsten Sohn Michael, der nie etwas mit den Familiengeschäften zu tun haben wollte, mit hinein in die Unterwelt. Der tiefe Fall des Michael Corleone ist die eigentliche Geschichte der Trilogie – aber sich raushalten kann er in diesem Moment nicht.
Skies of Arcadia schaut sich hier eine ganze Menge ab.
Die Armada schlägt zurück
Natürlich erzählt Skies of Arcadia eine grundlegend andere Art von Geschichte als Der Pate, aber an dieser Stelle sind die Parallelen nicht zu übersehen – der Vater der Hauptfigur, der Anführer der Familie verschwindet ganz plötzlich als aktive Figur aus der Geschichte, von einem Moment auf den anderen Opfer eines brutalen Schlags der Antagonisten, und in beiden Fällen steht die Hauptfigur ganz plötzlich vor der Frage: was wirst du tun? Michael Corleone verrät alles, an das er je geglaubt hat, und wirft alle Pläne, die er je für sein Leben hatte, über Bord. Vyse hingegen tritt aus dem Schatten seines Vaters und nimmt bewusst die Heldenrolle an, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Dabei ist das nach dem Gegenschlag der Armada alles andere als selbstverständlich. Captain Dyne und seine tollkühne Crew haben das schließlich schon ziemlich lange gemacht – mindestens Vyses ganzes Leben lang. Die Armada hat ihre Basis nie gefunden, hat nie zurückgeschlagen. Das hat den Piraten und auch Captain Dyne selbst ein Gefühl der Sicherheit gegeben, über Jahre, Jahrzehnte hinweg, das jetzt verschwindet. Dyne und seiner Crew wird von einem Moment auf den anderen der Boden unter den Füßen weggezogen, und dann müssen sie auch noch mit ansehen, wie ihre Insel, ihre Heimat, von der Armada in Schutt und Asche gelegt wird. Sie ergeben sich der Übermacht, und was hätten sie in dem Moment anderes machen sollen, anders machen können? Nichts mehr.
Vyse sieht von all dem nur das Ergebnis. Er kommt zu spät, er war nicht da, und jetzt liegt sein Zuhause in Trümmern und seine Familie und Freunde wurden gefangengenommen, mit der Aussicht auf Hinrichtung. Seine Reaktion in dieser dunklen Stunde? Nun, die wird tatsächlich erst einmal dem Spieler überlassen.
Die Nutzung der Dialog-Auswahlmöglichkeiten
Die grundsätzliche Mechanik wurde schon früher im Spiel eingeführt – der Spieler bekommt die Möglichkeit, an ein paar Stellen im Spiel Vyses Reaktion zu beeinflussen. Nur die Reaktion, wohlgemerkt, am weiteren Spielverlauf ändert sich nichts, aber ich halte das trotzdem für eine gute Idee. Bislang haben wir das nur im kleinen, relativ harmlosen Umfeld gesehen – Vyses Begrüßung von Fina und bei der Entscheidung, ob er sie vor seinem Vater verteidigen soll. Beides geschah in relativ un-spannenden Situationen, wo schon erkennbar war, dass es keine großen Konsequenzen geben kann. Bei Finas Begrüßung gab es Stylepunkte für eine freundliche Begrüßung, in der Situation vor Captain Dyne gab es Stylepunkte dafür, seinen Captain nicht bloßzustellen.
Es geht bei dieser Nebenleiste darum, Vyses Entwicklung von einem einfachen Crewmitglied zu einem großen Anführer und Captain für den Spieler greifbar zu machen, indem er einige Entscheidungen von Vyse selbst treffen kann – das bringt den Spieler immer wieder ganz nahe an Vyse heran. Darüber hinaus kann man in dieser Mechanik einige der, bei Licht besehen, abstruseren Reaktionen von Vyse „verstecken“ und für den Spieler greifbarer machen.
Beispiel: genau diese Szene. Das Schiff ist zerstört, die gesamte Crew inklusive Captain Dyne von der Armada gefangen genommen. Vyse müsste sich, um sie zu befreien, der gesamten Macht von Valua stellen. Das tut man nicht leichtfertig – aber was ist die Alternative? Rumsitzen und nichtstun, weil man nichts tun kann, während die Entführten in Valua hingerichtet werden? In der Realität würde so etwas ein enormes Dilemma darstellen. Wenn das Spiel aber einfach darüber hinweg geht und Vyse die Sache angeht, als wäre sie ganz offensichtlich und gar kein großes Problem, verliert die ganze Szene an erzählerischem Gewicht.
Skies of Arcadia löst das Problem, indem es den Spieler selbst Vyses Reaktion eingeben lässt. Es präsentiert die beiden Entscheidungen „Wir müssen sie retten“ und „Wir können nichts tun“ gleichberechtigt – und kann sich doch sicher sein, dass die allermeisten Spieler ohne zu zögern bestätigen werden, dass sie Familie und Freunde retten wollen. Die, die es nicht tun, bekommen noch einmal nachdrücklich präsentiert, dass das keine Option ist – dass Vyse und Aika schlicht nicht anders können, so wie Will Turner oder Michael Corleone – aber alle anderen kündigen an, sie retten zu wollen, und machen sich damit offiziell selbst zum Helden der Geschichte. Sie durften es selbst mit einem Knopfdruck bestätigen und fühlen sich damit nicht nur als Zuschauer einer linearen Story, so als würden sie einen Film schauen, sondern sie fühlen sich als aktive Teilnehmer im Spiel. Alles dank dieses kleinen und faktisch folgenlosen Tricks.
Sehr elegantes Design und eine ziemlich coole Idee, finde ich.
Auf nach Valua! …oder?
Vyse und Aika ziehen nun also los in die Höhle des Löwen, um ihre Freunde rauszuholen – aber so schnell geht das nicht.
Ich war selbst überrascht, wie lange wir im Stream für die folgenden Ereignisse gebraucht haben. Tatsächlich tritt das Spiel jetzt, nach der rasanten Einleitung, jetzt, wo die zentralen Charaktere eingeführt sind und der erste große Konflikt genau spezifiziert ist, etwas auf die Bremse. Getreu der Maxime „erst die Spieler abholen, dann Setup und Worldbuilding“ nimmt sich das Spiel jetzt erst einmal die Zeit, um noch ein paar Dinge einzuführen – ein neues Partymitglied, ein paar neue Nebencharaktere, eine Nebenquestline, einen neuen Schauplatz und ein paar weitere Ecken der Welt. Warum jetzt? Nun, einerseits: wann denn sonst, wenn nicht jetzt, wo der Spieler interessiert ist, aber er von der Welt nur einen ganz kleinen Teil gesehen hat? Die Welt muss sich zwangsläufig ein bisschen erweitern. Andererseits ist „Valua“ jetzt das erste große Ziel in der Story. Wenn man den Spieler erst mal ein bisschen zappeln und dafür arbeiten lässt, nach Valua zu kommen, fühlt sich das zum einen an wie ein Erfolg, wenn man endlich da ist – und zum anderen erhält Valua dadurch zusätzliches Gewicht in der Story. Valua ist die unheimliche Höhle im Wald, in der ein Drache haust – wenn die Helden mit zwei Minuten Fußmarsch vom Dorf da sind, fühlt sich das ganz anders an, als wenn die Gruppe einen oder mehrere Tage dorthin reisen und unterwegs schon ein paar Herausforderungen überwinden muss.
Außerdem gilt die Seefahrt schon seit Homers Odyssee als äußerst gefährliches Unterfangen. Eine Reise ins Ungewisse, durch Stürme, vorbei an Piraten und an mythischen Monstern. Unsere Helden machen ihre erste eigene Reise hinaus in die weite Welt auf einem kleinen, unbewaffneten Zwei-Mann-Boot – das geht nicht ohne Gefahren ab.
Skies of Arcadia liefert in all diesen Belangen prächtig.
Rhaknam und Captain Drachma
“Towards thee I roll, thou all-destroying but unconquering whale; to the last I grapple with thee; from hell’s heart I stab at thee; for hate’s sake I spit my last breath at thee.” – Captain Ahab
Der gigantische arcwhale (übersetzt mit „Urwal“) Rhaknam übernimmt die Rolle der großen Monster, die draußen in der weiten Welt auf die wagemutigen Seefahrer lauern. So wie Odysseus an der Hexe Circe, den Sirenen, Scylla und Charybdis oder dem Zyklopen Polyphemus vorbei musste, taucht Rhaknam aus den Tiefen des Wolkenmeers auf und fegt das kleine Boot der Helden beiseite wie eine kleine, störende Fliege. Gleichzeitig ist Rhaknam aber auch ein Remix des bekanntesten Wals der Weltliteratur: Moby Dick. Der große, weiße Wal ist eine Ikone aller Seefahrergeschichten – wie könnte Skies of Arcadia auf ihn verzichten?
Und wo Moby Dick ist, ist Captain Ahab nicht weit.
Drachma ist natürlich keine 1:1-Kopie von Captain Ahab. Ahab ist ein gottloser Wahnsinniger, der bereit ist, sein Schiff und seine ganze Crew in die Tiefen der Hölle zu befördern, wenn er dafür nur Moby Dick zur Strecke bringt. Das ist für Skies of Arcadia viel zu düster und würde überhaupt nicht zum Rest des Spiels passen. Das Spiel nimmt aber trotzdem ein paar kennzeichnende Merkmale von Ahab und übernimmt sie für ein neues Partymitglied. Wie Ahab hat Drachma ein Körperteil an seinen Wal verloren – Ahab hat ein Holzbein, Drachma hat nur ein Auge und einen mechanischen Arm. Beide wollen ihren Wal zur Strecke bringen, auch wenn diese Obsession bei Drachma längst nicht die wahnsinnigen Ausmaße wie bei Ahab annimmt. Und beide haben ein Schiff für die Hauptfigur.
An Bord der Little Jack müssen Vyse und Aika zwar für ihre Reise arbeiten, aber Drachma nimmt sie wenigstens fürs erste an Bord. Zunächst tritt er sehr zornig und abweisend auf, weil er wieder einmal Rhaknams Spur verloren hat, aber schon binnen kurzer Zeit lässt er sich von Vyse den Zweck ihrer Reise erzählen, lässt ihn sogar das Steuer übernehmen und nimmt sie schließlich sogar mit an Bord für die Reise nach Valua. Auch wenn Drachma für die Reise nach Valua seine ganz eigene Motivation hat, zeigt er jetzt schon, dass er nicht nur von Rhaknam besessen ist, sondern dass Vyse und Aika ihn auf irgendeiner Ebene erreichen können. Spoiler: Das wird noch um einiges deutlicher werden.
Sailors Island
Nächste Station auf der Reise: Sailor’s Island. Eine Hafenstadt, eine Seefahrerschenke, eine Pirateninsel. Braucht jede Geschichte im Seefahrerumfeld – Tortuga aus Fluch der Karibik wäre stolz. Drachma steuert die Insel selbstverständlich an, um Nachschub an Bord zu nehmen und Vyse und Aika irgendwo abzusetzen, von wo aus sie schon irgendwie weiter kommen werden. Es gibt verschiedene Läden, eine Gaststätte, ein Restaurant und auch eine Sailor’s Guild (etwa „Seemannsgilde“), in der berüchtigte Piraten zur Fahndung ausgeschrieben und Entdeckungen zu Geld gemacht werden können. Händler, ehrliche Seefahrer und Piraten, alle treiben sie sich auf Sailor’s Island herum.
Gleichzeitig ist Sailor’s Island in der Welt von Skies of Arcadia auch ein wichtiger Punkt zur Orientierung. Bislang kennen wir zwei Regionen – Mid Ocean, die Heimat von Captain Dynes Piratenbande, wo es außer Fischen und ein paar kleinen bewohnten Inseln nicht viel gibt, und das valuanische Reich. Das Wüstenreich von Nasr unter dem roten Mond wird ebenfalls noch in dieser Episode eingeführt. Sailor’s Island liegt mitten zwischen all diesen Regionen und ist ein immer verfügbarer, neutraler Anlaufpunkt, ein zentraler Ankerpunkt der Welt, an den man immer zurückkehren kann – und wo das Spiel jederzeit neue Quests einführen und dem Spieler verschiedene neue Informationen liefern kann.
Wir sehen das schon in dieser Episode, sowohl mit der Harpunenkanone (dem einen Gerücht, mit dem Vyse und Aika Drachma überzeugen können, nach Valua zu segeln und sie mitzunehmen) als auch mit den Informationen, wie genau Besucher eigentlich nach Valua kommen (es scheint eine Form der Einreisekontrolle zu geben, man braucht einen „Valua-Pass“), und letztens damit, dass dem Spieler auch gleich eine Möglichkeit geboten wird, einen solchen Pass zu erhalten, weil Vyse und Aika keine Zeit haben, um den extensiven Background-Check des valuanischen Reichs über sich ergehen zu lassen. (Außerdem kann das Spiel in dem Zusammenhang gleich die Einführung der Schiffskämpfe und der Kopfgeld-Nebenquests so nebenbei mit erledigen – ganz zu schweigen davon, dass wir auch einen Black Pirate in Aktion sehen, von denen wir in der Einleitung ja nur gehört haben. Ein weiteres Beispiel für Skies of Arcadias äußerst elegantes Design von Hauptstoryline und Worldbuilding.)
Am Ende von Sailor’s Island haben die Helden einen gesuchten Black Pirate zur Strecke gebracht und befinden sich im Besitz eines Valua-Passes. Jetzt endlich heißt es: Auf nach Valua!
Doc und Maria: Die Einführung
In der Umgebung von Sailor’s Island treffen die Helden ein kleines Boot und werden an Bord gebeten, weil Vyse und Aika offensichtlich Luftpiraten sind. So einfach kann man eine Nebenquest einführen. Das Boot gehört einem Mann namens Doc und seiner Ziehtochter Maria, und Doc bittet Vyse darum, auf seinen Reisen Ausschau nach sogenannten „Moonfish“ zu halten. Maria ist offensichtlich schwer traumatisiert und hält sich einen Vogel als Haustier, der nur diese Moonfish frisst.
Schon in dieser Episode, mit den zwei Moonfish, die sich auf Sailor’s Island finden, enthüllt uns Doc Marias Geschichte. Sie ist die Tochter eines valuanischen Admirals und einzige Überlebende eines Schiffsunglücks, bei dem ihre ganze Familie ums Leben kam, und davon so schwer traumatisiert, dass sie seitdem kein Wort mehr gesprochen hat. Und schon in dieser Episode murmelt sie ein leises „Danke“ an Vyse – ein Zeichen, dass es ihr tatsächlich hilft, und eine weitere Motivation für den Spieler, ihr weiter zu helfen.
Diese Nebenquest ist die wahrscheinlich größte Neuerung in Skies of Arcadia Legends gegenüber der ursprünglichen Dreamcast-Version. Die Moonfish-Suche belohnt dabei den Spieler, der sich die verschiedenen Umgebungen ausgiebig und im Detail ansieht und dabei in den Dungeons auch die Zufallskämpfe in Kauf nimmt, mit zusätzlichen Items und insgesamt vier optionalen Bosskämpfen. Außerdem wird diese Nebenquestline immer mal wieder zwischendurch für einen Charakter im Spiel zusätzlichen Hintergrund und Charakterentwicklung bieten – aber ihr werdet mal abwarten müssen, welcher das wird. 😉 Bitte auch keine Spoiler in den Kommentaren diesbezüglich!
Der zusätzliche Boss-NPC wird schließlich die Geschichte dieser Nebenquest schön abrunden und ist eine gelungene Ergänzung zum Cast des Spiels. Auf diese Nebenquest werde ich sicherlich in späteren Teilen noch einmal ausführlicher eingehen, oder sonst vielleicht sogar einen Artikel extra für die Nebenquest schreiben.
Galcian
Nun, zum Abschluss, aber noch ein Blick auf das wahre Gesicht der Armada. In Kapitel 1 waren die offensichtlichen Bösewichte noch unfähige Witzfiguren, aber jetzt, nach der Einleitung, dreht Skies of Arcadia den Eindruck um 180 Grad.
Eigentlich hätte ich den Artikel mit Galcian beginnen müssen, weil er (und die Armada unter ihm) einfach in so vielen Belangen das genaue Gegenteil von dem in Kapitel 1 vermittelten Ersteindruck ist. Es ist ja nicht damit getan, dass Galcian Alfonso in einem Nebensatz als unfähig abtut – Alfonso jagt mit nur einem einzigen Standardschiff hinter Fina her (mit ein Grund dafür, dass die Piraten ihn überwältigen können), aber Galcian bringt sein Flaggschiff und eine ganze Eskortflotte mit. Alfonso lässt sich überraschen, Galcian überrascht. Alfonso redet lang und verschachtelt vor sich hin, wie großartig er doch ist, Galcian gibt kurze, sachliche Einschätzungen und Befehle. Alfonso präsentiert seine prunkvolle Uniform, Galcian verbirgt sie, seine Arme, seine ganze Körpersprache hinter einem weiten Mantel. Fast so, als hätte er etwas zu verbergen? Oh, und einen Ziegenbart hat er auch noch – wir haben unseren Bösewicht!
Was erfahren wir sonst noch so über Galcian? Sein erster Auftritt besteht darin, die Pirateninsel einzunehmen. Er gibt ruhig und sicher Befehle und zeigt keine Reaktion auf den Erfolg beim Überfall, so als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Er zeigt sich als ein Freund von Effizienz und Erreichung der Ziele mit minimalem Aufwand, indem er die Kapitulation der Piraten akzeptiert – er zerstört ihr Schiff und nimmt sie mit nach Valua, um sie dort zu befragen und anschließend nach valuanischem Recht verurteilen zu lassen. Er hätte sie auch gleich an Ort und Stelle exekutieren und die ganze Insel zerstören können, aber warum so viel Aufwand? Die Option hebt er sich ausdrücklich auf für den Fall, dass er auf Widerstand stößt. Wenn sich ihm jemand ausdrücklich und offen widersetzt, dann, ja dann wird die Effizienz in der Zielerreichung ersetzt durch eine maximale Bestrafung – Galcian ist niemand, dem man sich widersetzen will. Das wahre Gesicht der Armada unter seiner Führung – allein durch seine Präsenz wird die Armada und dadurch auch Valua als ernstzunehmende Bösewichte massiv aufgewertet. Mehr dazu nächste Woche.
Aber warum ist er überhaupt hier? Was ist das Ziel? Bestrafung der Piraten? Kaum – Valua hat sie lange genug gewähren lassen. Eigentlich ist der Mid Ocean ohnehin recht weit weg von Valua und auch nicht einfach so zu erreichen. Bislang hätten Kosten und Nutzen vermutlich in keinem Verhältnis gestanden. Was ist diesmal anders? Ganz einfach – Fina. In der zweiten Szene mit ihm lässt er Fina zu sich bringen und versucht, sie zur Kooperation zu bewegen. Er spricht von ähnlichen Zielen, die sie beide verfolgen. Er spricht mit ihr förmlich und höflich, bis er entscheidet, dass Fina mit ihrem trotzigen Blick und ihrem Schweigen ihnen nicht freiwillig helfen wird, woraufhin er sie mit knappen Worten in der Brig einsperren lässt. Und er vermutet nicht nur ähnliche Ziele, er kennt auch ihren Namen, bevor er sie überhaupt gesehen, geschweige denn einmal getroffen hat. Galcian weiß mehr als der Spieler und verfolgt eine Agenda, die der Spieler nicht kennt – aber Fina ist ein integraler Bestandteil, so wichtig, dass eine Flotte der Armada gegen Luftpiraten vorgeht, nur um sie gefangen zu nehmen.
Der Spieler stolpert hier gemeinsam mit Vyse, Aika und Fina in eine Geschichte, die eigentlich zu groß für sie ist. Die Helden kommen mit Plänen in Kontakt, die Valua schon vor einiger Zeit geschmiedet haben muss und in denen sie eigentlich nicht einmal auftauchen. Und sie werden in diesem Zusammenhang garantiert – GARANTIERT – mit Galcian in Kontakt kommen.
Was für ein Zufall, dass unsere Helden gerade jetzt, parallel dazu, nach Valua fahren, um ihre Familie, ihre Freunde und Fina zu befreien. Der angesprochene Konflikt ist vorprogrammiert – und schon jetzt perfekt eingeführt. Nächste Woche sehen wir, wohin das führt.
Kleine Beobachtungen:
– Ein paar der Abfolgen sind wieder sehr elegant zusammengefügt. Vyse und Aika dürfen auf Schatzsuche gehen – wir als Spieler haben davon den ersten echten Dungeon, in dem wir zeigen können, was wir gelernt haben, und ordentlich Gameplay bekommen; außerdem kriegen wir etwas Abwechslung und einen weiteren Einblick in ihre Leben und ihre täglichen Arbeiten. Wir bekommen mehr „Spiel“ und mehr „Charaktere“ – und gleichzeitig ist das eine wunderbar simple Erklärung dafür, warum die beiden beim Angriff der Armada nicht auf Pirate Isle sind. Ein glaubhafter glücklicher Zufall – und die sind gar nicht so leicht zu schreiben.
– Auch die Verzögerung mit Rhaknam erweist sich letztendlich als glücklicher Zufall. Die Little Jack ist nicht viel, aber etwas größer als das kleine Boot, mit dem Vyse und Aika aufgebrochen sind, sie ist bewaffnet, sie bekommen ein neues Partymitglied, und: ohne die Little Jack und ihre Waffen kein Valua-Pass. Mit ihrem kleinen Boot wären Vyse und Aika vielleicht auf Sailor’s Island gestrandet ohne Möglichkeit, nach Valua hineinzukommen, und wie ihre Chancen gewesen wären, wieder rauszukommen…? Darüber unterhalten wir uns beizeiten. 😀 Die Kausalkette „Ohne Drachma kein Valua“ ist in der Abfolge von Pech, Glück und sich bietenden Möglichkeiten ganz gut versteckt, aber schon so vorhanden – es ist also gar nicht so zufällig, dass das Spiel ihn und sein Schiff gerade zu diesem Zeitpunkt einführt.
– Vyse und Aika warten einen neuen Tag ab, um nach Valua aufzubrechen und das nächste Kapitel der Geschichte zu beginnen. Das Gespräch zwischen Galcian und Fina findet bei Nacht statt – angemessen für den Moment, in dem Fina vor dem Oberbefehlshaber der Armeen der Bösen steht.
– Neben Vyses Entschluss, seine Familie und Freunde retten zu gehen, gibt es noch ein paar andere Reaktionen, die der Spieler beeinflussen kann. Bei der Begegnung mit Rhaknam ist die richtige Antwort „Abhauen“ eigentlich offensichtlich. Die beiden anderen Antworten ködern den Spieler so ein bisschen und lenken ihn subtil in die Richtung, in die es gehen soll. „Ich weiß nicht“ war noch nie die richtige Antwort auf eine Herausforderung in einem Videospiel, und „Angreifen“ mag der natürliche Instinkt vieler Spieler sein, ist in dieser Situation aber offensichtlich vollkommen sinnlos – das Schiff ist viel zu klein und hat nicht einmal Kanonen oder eine ähnliche Bewaffnung. Das Spiel vermittelt in der Szene unmissverständlich, dass es Bedrohungen im Spiel gibt, die für so ein kleines Schiff einfach zu groß sind – wichtiges Setup für ein paar Szenen, die im Lauf des Spiels noch so folgen werden.
Bei der Diskussion mit Drachma geht es hingegen ausschließlich um das Ausspielen der Charaktere – ein kleiner RPG-Einschlag, bei dem beide Vorgehensweisen ihre Berechtigung haben und vollauf nachvollziehbar sind. Das Spiel hält „ihn zappeln lassen“ für die richtige Lösung, und das ist zwar ein bisschen gemein, aber auch verständlich angesichts der Tatsache, dass Drachma nicht eben der herzlichste Geselle ist und Vyse und Aika eigentlich am liebsten einfach sitzen lassen würde. Ihn ein bisschen zappeln lassen ist an der Stelle sicherlich verständlich – und war auch die Mehrheitsoption im Stream, die zu großem Spaß geführt hat.
Musikstück der Woche: Galcians Thema. Langsam, getragen, majestätisch. Ein Anführer, Herrscher, oder ein König, aber mit einer kaum verborgenen düsteren, dunklen Seite. Es passt zu Galcian enfach perfekt und unterstützt seine Einführung und erste Charakterisierung makellos. Wir werden es noch oft hören.
Nächste Woche: Auf nach Valua, in die dunkle Nacht