Vor rund 20 Jahren hätte niemand geglaubt, Sonic einmal auf einer Nintendo-Konsole zu sehen. Nun war es ausgerechnet Nintendo, die uns ermöglicht haben, „Sonic Mania“ anzuspielen – ein Spiel, welches aus der Zeit stammen könnte, in der es noch hieß „Genesis does what Nintendon’t“.
Um die Werbetrommel für ihre neue Konsole zu rühren, veranstaltete Nintendo vor ein paar Wochen mehrere Preview-Events in verschiedenen Ländern und Städten, auf denen man die Nintendo Switch schon vor Release mit ihren Spielen ausprobieren konnte. Wir von Spindash.de wurden nach Berlin eingeladen und ließen uns diese einmalige Chance nicht entgehen. Das Event fand in einer Location statt, die einer Messehalle vom Aufbau stark ähnelte. Man fühlte sich wie auf einer Art nintendoexklusiver Games Convention – nur deutlich weniger überfüllt. Neben der brandneuen Konsole, natürlich in all ihren möglichen Konfigurationsmöglichkeiten, konnte man einige der angekündigten Spiele und Launch Titel wie „1-2-Switch“, „Arms“ oder „The Legend of Zelda – Breath of the Wild“ anspielen. Und inmitten dieser Auswahl an teils noch nie dagewesenen Spielerfahrungen gab es einen Titel, der sich sehr, sehr vertraut anfühlte.
Die Rede ist von „Sonic Mania“. Seit der Ankündigung im Juli letzten Jahres wurde im Internet ausführlich über jede Sekunde des gezeigten Gameplay-Footages diskutiert. Frame für Frame haben Fans die Videos analysiert und auf diese Art jedes noch so kleine Detail gefunden, die Gedanken der Entwickler dahinter nachvollzogen und die Anspielungen verstanden. Mittlerweile gibt es gerippte Sprites und Animationen, Fan-Remixe der neuen Musik und sogar Rom-Hacks, die Features und Moves aus „Sonic Mania“ in die Klassiker einbauen. Man könnte meinen, es gebe bereits genug Material über das Spiel. Doch diesen Gedanken vergisst man, sobald man tatsächlich vor einem Bildschirm steht, auf dem das Spiel läuft. Plötzlich kann man nicht genug davon bekommen und hätte gerne noch einiges mehr.
Die Schlange vor „Sonic Mania“ war verhältnismäßig kurz. So konnten wir uns schon wenige Minuten nach Ankunft auf dem Event direkt vor dem Bildschirm wiederfinden. Ich beobachtete noch einige Spieler vor mir bei ihren Läufen durch die Green Hill Zone und Studiopolis, bis ich den Controller in die Hand bekam, auf den Titelbildschirm sah und einen der zwei Level wählte.
Das erste, was mir auffiel, war folgendes: „Sonic Mania“ sieht großartig aus. Knallige Farben, hohe Kontraste und ein gestochen scharfes Bild bei soliden 60 FPS verpassen der altbackenen Sprite-Optik genau den richtigen Touch, um das Spiel trotz des 16-Bit-Stils modern aussehen zu lassen. Alle Sprites sind flüssig animiert – viele teilweise so flüssig, dass man sich fragt, ob das wirklich noch einzelne Sprites sind oder ob es nicht doch ein gut verpixeltes, animiertes 3D-Modell ist. Optisch gibt es absolut nichts an dem Spiel zu meckern.
Beim Lauf durch die Studiopolis Zone wird schnell klar, dass die Level darauf ausgelegt sind, mehrfach gespielt und gemeistert zu werden. Man hat gefühlt alle fünf Sekunden mindestens zwei verschiedene Pfade vor sich, die entweder nur minimal voneinander abweichen oder den Spieler in einen völlig neuen Abschnitt der Zone bringen. Viele Abzweigungen benötigen blitzschnelle Reaktionen, um nicht verpasst zu werden. Und wenn man denkt, man hätte den höchst- oder tiefstgelegensten Pfad erreicht, geht es immer noch eine Stufe höher oder tiefer – und das allein im ersten Act der ersten neuen Zone. Wenn die restlichen Stages dieses Niveau an Vielfalt und Abwechslung halten können, ist für viele Spielstunden Spaß auf der Suche nach dem besten und schnellsten Weg zum Ziel gesorgt.
Doch nicht immer kann man sich seinen Pfad entspannt aussuchen, denn Sonic‘s altbekannte Gegenspieler treiben überall ihr Unwesen: Die Badniks. Thematisch zur jeweiligen Stage passend und überwiegend fair platziert tragen Dr. Eggman‘s kleine Kampfmaschinen durchaus positiv zum Gameplay bei und fühlen sich völlig anders an, als es noch im quasi-Vorgänger „Sonic the Hedgehig 4: Episode I / II“ der Fall war. Haben damals noch die Entwickler ihre mangelnde Kreativität in Sachen Enemy Placement mit einer Bubbles-Kette nach der nächsten zur Schau gestellt, sind hier in „Sonic Mania“ deutlich weniger Gegner nach dem Motto „Spring‘ hier drauf um dorthin zu kommen!“ vorhanden. Im Gegenteil: Die meisten der Badniks tun das, was sie eigentlich sollten – Versuchen, Sonic aufzuhalten. Einige der Badniks tun das sogar so gut, dass man nach dem Ringverlust durch einen Treffer kurzzeitig überlegt, ob das wirklich noch fair war. Spätestens beim zweiten Lauf durch das Level überkommt es einen und man kann es schon nicht mehr abwarten, diesem einen bestimmten fies platzierten Badnik mit einem präzisen Sprung auf den Kopf eins auszuwischen!
Für die meisten Sonic-Fans ist bei einem klassischen 2D-Spiel eines besonders wichtig: Die Physik. Schließlich sind viele von uns mit der Erinnerung daran aufgewachsen wie es war, als man das erste Mal als blaue Kugel durch Loopings gerollt und kurz darauf über die halbe Green Hill Zone geflogen ist. Sega hat es über die letzten Jahre immer wieder versucht, die ikonischen Momentum Physics nachzubauen. Dazu sei gesagt: Sie haben es geschafft… fast.
Der folgende Absatz ist Meckern auf hohem Niveau. Wenn die Physik von „Sonic the Hedgehog 3“ 100 Punkte bekommt, bekommt „Sonic Mania“ nach selben Messkriterien 95 Punkte. Sega hat sich mit Christian Whitehead jemanden ins Team geholt, der die Engines der Klassiker vermutlich in und auswendig kennt und sein Handwerk wie kaum ein anderer beherrscht. Doch wer eine 1:1-Kopie erwartet und nichts Anderes akzeptiert, der wird auch mit „Sonic Mania“ seine Probleme haben.
Ein Beispiel: Ihr spielt „Sonic the Hedgehog 3“ auf eurem guten, alten Sega Mega Drive. Ihr rennt als Sonic durch die Angel Island Zone. Ihr lauft in einen Looping. Und kurz bevor ihr dort durchgelaufen seid, springt ihr. Ihr bekommt einen Geschwindigkeitsschub und seid plötzlich viel schneller, als ihr ohne den Sprung gewesen wärt. Ein kleiner Trick, den ich liebend gerne in so vielen Loopings wie möglich nutze.
In „Sonic Mania“ geht das leider nicht. Oder vielleicht doch? Ich habe es in so gut wie jedem Looping versucht und es jedenfalls nicht geschafft, den gleichen Effekt wie in den Klassikern zu erzielen. Stattdessen läuft Sonic genau so schnell weiter, wie zuvor – maximal ein kleines Stück schneller, aber nie signifikant. Eine Kleinigkeit, die mir persönlich das Spielerlebnis ein wenig getrübt hat. Und um noch mehr Salz in die Wunde zu streuen: Das ist eine Sache, die selbst „Sonic the Hedgehog 4: Episode I / II“ hinbekommen hat.
Musikalisch überzeugt bisher jedes der veröffentlichten Stücke. Tee Lopes hat mit Studiopolis jetzt schon einen neuen Best-of-Sonic-Soundtrack-Hit geschrieben und seine subtile Modernisierung vom allseits bekannten Green Hill Thema sorgt für genügend frischen Wind in der Zone. Für einen kurzweiligen Ohrwurm sorgt auch das neue Miniboss-Thema. Bei diesem Beat und der eingängigen Basslinie muss man aufpassen, so kurz vor Ende des Acts nicht den Timer aus den Augen zu verlieren.
Abschließend lässt sich festhalten: „Sonic Mania“ wird bestimmt viele Fans zufriedenstellen. Wer unbedingt über die leicht andere Physik motzen möchte, der darf das tun. Doch selbst dann lässt sich nicht leugnen, dass mit diesem Spiel die Klassiker ihre Rückkehr feiern können. Mit „Sonic Mania“ bekommen wir nun endlich „Sonic the Hedgehog 4“, wie wir es uns immer vorgestellt haben.
Wie es ausschaut haben wir für euch natürlich auch noch in Videoform festgehalten:
Ein paar Worte zur Nintendo Switch Konsole:
Nintendo hat mit dem Event eines bewiesen: Ihre neue Konsole macht Spaß. Egal, ob man „Mario Kart 8 Deluxe“ im Tablet-Modus, „Arms“ mit beiden Joy-Cons einzeln oder „Sonic Mania“ mit dem Pro-Controller spielt: Alle von mir getesteten Steuerungsoptionen fühlen sich vollkommen in Ordnung an. Der Pro-Controller verfügt nun über ein Gyrosensor, was sich vorallem bei „Splatoon 2“ als vorteilhaft erwiesen hat, da Liebhaber der Bewegungssteuerung diese erneut nutzen können. Ansonsten ist der Controller recht unauffällig und gleicht nun mehr dem Konkurrenzprodukt von Microsoft, da Nintendo den rechten Analogstick diesmal nach unten gesetzt hat. Bei „Arms“ haben sich die Joy-Cons fast wie Wii-Remote und Nunchuck angefühlt, nur deutlich leichter und um einiges handlicher. Einzig der Tablet-Modus lag zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig in der Hand, doch bereits nach einer halben Runde in „Mariokart 8 Deluxe“ hatte jeder Finger seinen Platz gefunden und spätestens bei „Splatoon 2“ konnte man sich voll und ganz auf das Spiel konzentrieren und hat schon fast vergessen, dass man eine völlig neue Hardware in den Händen hält. Böswillig könnte man das damit begründen, dass sowohl „Mariokart 8 Deluxe“ als auch „Splatoon 2“ optisch nicht viel von ihren Wii U Vorgängern abwichen.
Mit der Switch stellt sich Nintendo erneut bewusst hinter die Aussage „gameplay first“ – und das merkt man. Die Leistung der Konsole kommt zwar bei weitem nicht an die der Konkurrenzprodukte heran, doch Nintendo liefert erneut einmalige, spaßige Spielerfahrungen, die es so nirgendwo anders zu erleben gibt.
Ein paar Worte auch noch von Ruki, der ebenfalls beim Event in Berlin am Start war:
Sonic Mania konnte mich wirklich begeistern. Mit dem Pro-Controller ausgerüstet fühlte ich mich direkt in meine Kindheit zurückversetzt, während ich durch die vertraut wirkende Green Hill Zone rannte. Die 60 Frames pro Sekunde wirkten zunächst irgendwie „falsch“, das legte sich aber zum Glück schon nach ein paar Sekunden. Die Physics brauchten hingegen schon ein wenig mehr Eingewöhnungszeit. So minimal die Unterschiede auch sein mögen, besonders in der Green Hill Zone fielen mir die kleinen Unterschiede relativ stark auf, während in Studiopolis fast schon nichts mehr davon zu merken war.
Besonders ungewohnt war für mich der Drop Dash, der etwas länger als erwartet brauchte, um sich zu aktivieren – Mit einem normalen Sprung reichte die Zeit gerade so. Da ich kurz zuvor einen Sonic 1 Romhack gespielt habe, der einen Drop Dash besaß, war es etwas sehr ungewohnt für mich. (Der Romhack nennt sich übrigens „Sonic 1 Mania Edition“ und ist im Steam Workshop gratis erhältlich)Die Green Hill Zone (Act 1) setzte sich aus verschiedenen Teilen des Originals zusammen, vorstellbar wie eine Aneinanderreihung der Acts 1-3 aus Sonic 1, bei der aber nur Teile der jeweiligen Acts vorhanden sind. Studiopolis hingegen war komplett neu und fühlte sich nicht nur musikalisch, sondern auch spielerisch sehr stark nach Sonic CD an. Unfassbar viele verschiedene Pfade luden zum Erkunden ein, sodass ich mich beim ersten Spielen schon beinahe etwas verloren fühlte, aber auf positive Weise. Sonic Mania gefiel mir in der Anspielsession unglaublich gut und verspricht bereits jetzt ein wahres Fest für Classic-Fans zu werden!
Auch die Nintendo Switch konnte mich überraschend gut überzeugen. Noch immer stehe ich der Konsole mit großer Skepsis gegenüber, doch was ich gesehen und gespielt habe, hat mir sehr gefallen. Zum Pro-Controller verliere ich nicht viele Worte: Er liegt super in der Hand, der rechte Stick liegt endlich wieder da, wo er hingehört und der Gyrosensor machte sich auch in Splatoon sehr gut. Im Tablet-Modus war es schon etwas schwieriger für mich. Leider waren die Joy-Cons sehr fummelig und die Buttons lagen zu dicht aneinander, auch fehlte mir an der Rückseite ein Fixpunkt für die Finger. Eine sehr ungewöhnliche Kritik, doch es ist mir negativ aufgefallen, da das Tablet doch recht groß war. Den Schultertasten mangelte es gefühlt an einem richtigen Druckpunkt, doch im Langzeittest wird dieser Kritikpunkt vermutlich nicht mehr so schwer gewichten als in einer kurzen Anspielsession.
Noch muss Nintendo Überzeugungsarbeit leisten, um mich zum Kauf der Konsole zu bewegen, aber einige meiner Kritikpunkte konnten sich zum Glück bereits auflösen. Wenn erst einmal die richtigen Titel in den Läden stehen, wird sich vermutlich auch für mich die Anschaffung lohnen – Aber eher nicht zum Vollpreis.